Wird 2025 das Jahr, in dem der Wasserstoff-Hochlauf richtig Fahrt aufnimmt?

Ausblick 2025: Was erwartet uns beim H2-Hochlauf?
2025 wird zur Bewährungsprobe für den Wasserstoff-Hochlauf. Trotz der Genehmigung des H2-Kernnetzes im vergangenen Jahr fehlt dem Hochlauf weiterhin das nötige Tempo. Der Grund: Produktion, Transportinfrastruktur und Nachfrage sind unzureichend aufeinander abgestimmt. Damit der Hochlauf an Dynamik gewinnt, müssen diese Bereiche 2025 enger verzahnt werden. Entscheidend wird sein, dass alle Akteure – von Produzenten über Netzbetreiber bis hin zu Verbrauchern sowie die Politik – koordiniert zusammenarbeiten und gemeinsam an einem Strang ziehen.
Was muss 2025 entlang der H2-Wertschöpfungskette passieren? Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:
- Produktion: Die aktuellen Elektrolysekapazitäten sind unzureichend. Um den H2-Bedarf zu decken, braucht es langfristige Förderanreize und eine klare Importstrategie mit internationalen Partnern
- Transportinfrastruktur: Die Genehmigung des H2-Kernnetzes ist ein Meilenstein, doch nun müssen Einspeiser und Verbraucher mitziehen. Netzbetreiber benötigen Verbindlichkeit und die passenden Rahmenbedingungen, um den Ausbau vorantreiben zu können. Dazu zählen insbesondere attraktive Finanzierungsmodelle, um weitere Investitionen auszulösen.
- Abnehmer: Die Industrie zögert, da wirtschaftliche Anreize fehlen. Ein tragfähiger Business Case kann Investitionen erleichtern und Nachfrage schaffen. Der Einsatz von blauem Wasserstoff wird unverzichtbar sein, bis grüner Wasserstoff wettbewerbsfähig ist. Maßnahmen zur Schließung dieser Wirtschaftlichkeitslücke müssen deutlich ausgeweitet werden.
Der Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 ist in vollem Gange. Die Debatten sind hitzig, die Herausforderungen enorm. Wir blicken auf eine Wirtschaft, die massiv unter Druck steht und gleichzeitig Klimaziele, die keinen Aufschub mehr dulden. Eine Frage wird immer lauter: Wie schaffen wir eine Energieversorgung, die sicher, emissionsfrei und zugleich wettbewerbsfähig ist? Denn klar ist: Ohne verlässliche Energiezukunft gibt es keine wirtschaftliche Stabilität. Kein Wachstum. Keinen Wohlstand.
Wasserstoff (H2) gilt als einer der zentralen Bausteine auf dem Weg zur Klimaneutralität. Der Energieträger soll überall dort eingesetzt werden, wo sich die Dekarbonisierung nicht allein mit Strom aus erneuerbaren Quellen erreichen lässt. Schwerindustrie, Chemie oder der Schwerlastverkehr sind auf Wasserstoff angewiesen, um ihre Emissionen zu senken. Ein Lichtblick auf dem Weg zur Wasserstoff-Wirtschaft war die Genehmigung des H2-Kernnetzes im Oktober 2024. Doch dieser Meilenstein ist nur ein erster Schritt. Vielmehr zeigt sich: Der Aufbau des H2-Hochlaufs ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Ein Vorhaben, das zur richtigen Zeit die richtigen politischen Rahmenbedingungen, technologische Voraussetzungen und die enge Zusammenarbeit aller Akteure erfordert – entlang der gesamten H2-Wertschöpfungskette.
Wird 2025 das Jahr, in dem der Wasserstoff-Hochlauf richtig Fahrt aufnimmt? Wie weit sind wir wirklich? Und welche Hürden gilt es noch zu nehmen? Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.
Das Angebot: Woher kommt der Wasserstoff?
- Das Gelingen des H2-Hochlaufs ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie steht und fällt mit dem Zusammenspiel dreier Faktoren: Angebot bzw. Produktion, Transportinfrastruktur und Nachfrage. Produktion speist den Markt, die Infrastruktur verbindet Angebot und Verbraucher, und die Industrie schafft die notwendige Nachfrage. Nur wenn alle Teile dieses Systems ineinandergreifen, kann der Hochlauf gelingen. 2025 wird es darum gehen, die Interessen aller Marktteilnehmer gezielt aufeinander abzustimmen, um mehr Dynamik für den Hochlauf zu schaffen. Doch bevor wir über Transport und Abnehmer sprechen, müssen wir uns der entscheidenden Frage stellen: Woher kommt der Wasserstoff eigentlich?
- Die Antwort darauf ist komplex. Die aktuelle Bundesregierung hat ehrgeizige Pläne formuliert. Bis 2030 sollen zehn Gigawatt Elektrolysekapazität (Quelle 1, siehe unten) aufgebaut werden – genug, um grünen Wasserstoff in großem Maßstab zu produzieren. Doch die Realität sieht ernüchternd aus: Derzeit sind gerade einmal 111 Megawatt installiert (Quelle 2, s. u.). Selbst wenn alle beschlossenen Investitionen umgesetzt werden, darunter die IPCEI-Vorhaben, reicht das nur für 1,4 Gigawatt (Quelle 3, s. u.) – ein Bruchteil des angestrebten Ziels.
- Damit ist auch klar: Deutschland wird auf Importe angewiesen sein. Rund 50 bis 70 Prozent des künftigen Bedarfs müssten durch Lieferungen aus dem Ausland gedeckt werden (Quelle 4, s. u.) – unter anderem aus Regionen wie Nordafrika, Kanada oder Australien. Dort ermöglichen Sonne und Wind eine kostengünstige Produktion. Doch während andere Nationen bereits strategische Partnerschaften schließen, fehlt es hierzulande an einem klaren Plan. Es gibt keine belastbaren Abkommen, keine Infrastruktur, um Importe in großem Stil zu sichern, und kaum politische Impulse, um das zu ändern.
Was in 2025 passieren muss
- Gezielte Ausschreibungen: Konkrete Fördermaßnahmen für den Aufbau heimischer Elektrolysekapazitäten sind entscheidend, um die Produktion anzukurbeln.
- Langfristige Anreize: Die Befreiung von Netzentgelten für Elektrolyseure sollte verlängert werden – ein wichtiges Signal für Investoren.
- Importstrategie: Deutschland braucht eine Strategie, die internationale Partnerschaften priorisiert und den Aufbau der nötigen Infrastruktur vorantreibt.

Der Transport: Das Fundament für den H2-Hochlauf?
Eine leistungsfähige Transportinfrastruktur ist unerlässlich, um Wasserstoff dorthin zu bringen, wo er benötigt wird. 2024 brachte hier einen entscheidenden Fortschritt: Die Bundesnetzagentur hat Ende Oktober das H2-Kernnetz genehmigt. Damit ist der offizielle Startschuss für die Umsetzung der „Wasserstoff-Autobahnen“ in Deutschland gefallen. In nur 18 Monaten haben wir Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) gemeinsam mit der Politik und der Bundesnetzagentur den regulatorischen Rahmen geschaffen und die Netzmodellierung abgeschlossen. Ein Beispiel dafür, was in Deutschland möglich ist, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen.
Das deutschlandweite Kernnetz bildet das Herzstück der künftigen H2-Transportinfrastruktur. Es löst das oft zitierte „Henne-Ei-Problem“, indem es eine verbindliche Basis für Produzenten und Abnehmer schafft, ihre H2-Pläne zu konkretisieren. Mit diesem Netz entsteht die Grundlage für einen funktionierenden Markt – doch der Erfolg hängt jetzt maßgeblich davon ab, wie Einspeiser und Verbraucher mitziehen.
Netzbetreiber brauchen klare Abnahmeverträge, um Kapazitäten zielgenau zu planen. Ohne verbindliche Zusagen bleibt der Ausbau eine Gratwanderung. Ein zu großes Netz verursacht unnötige Kosten, ein zu zögerlicher Ausbau behindert den Hochlauf des Marktes. Als FNB stehen wir in der Verantwortung, die Infrastruktur rechtzeitig bereitzustellen, ohne einen längeren Leerstand zu riskieren. Verlässliche Rahmenbedingungen, die den Infrastrukturaufbau zusätzlich eng mit der Synchronisierung des H2-Hochlaufs verzahnen und ausreichend Flexibilität bieten, sind hierfür entscheidend. Ergänzend braucht es effektive Monitoring-Tools, um Fortschritte messbar zu machen, das Tempo zu überwachen und bei Bedarf gezielt Anpassungen vorzunehmen.
Faire Finanzierungsmodelle sind ein weiterer Schlüsselfaktor. Investitionen in die Wasserstoff-Transportinfrastruktur sind nur dann rentabel, wenn das Chancen-Risiko-Verhältnis stimmt. Der Selbstbehalt im Amortisationskonto und eine wettbewerbsfähige Eigenkapitalrendite sind hierbei zentrale Stellschrauben. Derzeit bleiben die Rahmenbedingungen für H2-Netze jedoch hinter denen des Stromsektors zurück – ein strukturelles Defizit, das den Hochlauf ernsthaft gefährden könnte.
Das H2-Kernnetz ist beim Aufbau der H2-Infrastruktur jedoch erst der Anfang. Entlang der geplanten „Autobahnen“ müssen wir bereits jetzt potenzielle Anschlussstellen für künftige Kunden identifizieren, auch für solche, die sich abseits der Kernnetz-Trassen befinden. Eine vorausschauende Planung und geeignete regulatorische Rahmenbedingungen sind essenziell, um spätere Erweiterungen ohne große Anpassungen umzusetzen. Um den Wasserstoff in die Fläche zu bringen, müssen FNB und potenzielle Abnehmer bereits jetzt über Anschlusskonzepte sprechen. Denn nur wo ein „T-Stück“, also eine „Abfahrt“ vorgeplant ist, lässt sich später eine Anschlussleitung realisieren.
Fakt ist, die Genehmigung des H2-Kernnetzes markiert den Start des H2-Hochlaufs, doch sein Erfolg hängt vom abgestimmten Zusammenspiel aller Akteure entlang der H2- Wertschöpfungskette ab.
Was in 2025 passieren muss
- Attraktive Finanzierungsmodelle: Investitionen in die H2-Transportinfrastruktur müssen durch ein ausgewogenes Chancen-Risiko-Verhältnis wirtschaftlich attraktiv gestaltet werden.
- Verbindliche Zusagen: Absichtserklärungen müssen jetzt in konkrete Verträge überführt werden. Nur so entsteht die Planungssicherheit, die Netzbetreiber und Produzenten brauchen.
- Vorausschauende Netzplanung: Bereits in der Bauphase sollten Anschlussstellen berücksichtigt werden, um spätere Erweiterungen kosteneffizient umzusetzen.
Der Markt: Wie schaffen wir einen Business Case für Wasserstoff?
Nachfrage schafft Investitionen, und Investitionen treiben den Hochlauf voran. Viele Unternehmen zögern, ihren Bedarf zu melden, weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unklar sind. Es fehlt an einem tragfähigen Business Case, der Vertrauen schafft und die Entscheidung erleichtert. Insbesondere mit Blick auf große Abnehmer wie Kraftwerke und KWK-Anlagen wird klar, wie wichtig es ist, einen funktionierenden Kapazitätsmechanismus zu etablieren. Ein solcher Mechanismus könnte langfristige Investitionen absichern und die Verfügbarkeit von Wasserstoff garantieren – eine Aufgabe, die die neue Bundesregierung dringend angehen muss.
Ein zentraler Hebel könnte die Orientierung an bewährten Mechanismen aus dem Erdgasmarkt sein. Ein Marktmodell, das transparent, planbar und attraktiv für Investoren ist, schafft Vertrauen.
Ein weiteres Hindernis für die Entwicklung eines Business Cases sind die strengen EU-Vorgaben: Aktuell darf nur Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen staatlich gefördert werden. Diese Regelung verteuert die Produktion erheblich und hemmt den Ausbau der Elektrolysekapazitäten. Ohne flexiblere Ansätze wird es schwierig, Investoren und Produzenten zu gewinnen.
Ich bin überzeugt: Blauer Wasserstoff ist unverzichtbar! Als Übergangslösung spielt er eine entscheidende Rolle, um die Anfangsphase zu überbrücken, bis grüner Wasserstoff in ausreichender Menge verfügbar ist. Solche pragmatischen Ansätze sind essenziell, um den Markthochlauf zu stabilisieren und gleichzeitig zu beschleunigen.
Was in 2025 passieren muss
- Blauer Wasserstoff als Brücke: Langfristige Abnahmeverträge könnten die Nutzung von blauem Wasserstoff als Übergangstechnologie fördern und den Markt stabilisieren.
- Erprobte Marktmodelle: Erfolgreiche Ansätze aus dem Erdgasmarkt sollten auf Wasserstoff übertragen werden, um den Markthochlauf zu beschleunigen.
- Nachfrage gezielt fördern: Mit klaren Maßnahmen und Förderprogrammen können Anreize für die breite Nutzung von Wasserstoff geschaffen und wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen werden.
Mit politischem Rückenwind in die Energiezukunft
2025 beginnt, wie 2024 geendet hat – mit großer Unsicherheit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Doch die Bundestagswahl bietet die Chance, einen Wendepunkt zu setzen. Entscheidend wird sein, ob die neue Regierung, Wirtschaft und Klimaschutz konsequent zusammenbringt. Denn stabile Wirtschaftspolitik und ambitionierte Klimaziele sind keine Gegensätze – sie bedingen einander und können nur gemeinsam erreicht werden.
Wasserstoff kann genau dieses Zusammenspiel ermöglichen. Er ist der Schlüssel, um Deutschlands Dekarbonisierung und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit miteinander zu verbinden. Aber ebenso klar ist: Die Integration eines neuen Energiemarktes ist eine Mammutaufgabe. Netzbetreiber wie Thyssengas können die notwendige Transportinfrastruktur schaffen, doch diese allein reicht nicht aus.
Der H2-Hochlauf ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur durch die enge Zusammenarbeit aller Akteure entlang der H2-Wertschöpfungskette gelingen kann. 2025 muss das Jahr werden, in dem die Interessen aller Marktteilnehmer besser koordiniert werden. Nur durch ein abgestimmtes Vorgehen entsteht die Dynamik, die der Hochlauf dringend benötigt.
Bei Thyssengas verstehen wir es als unsere Aufgabe, die Weichen für diese Zukunft aktiv mitzugestalten. Wir treiben den Aufbau der H2-Transportinfrastruktur weiter voran und setzen uns gleichzeitig für verlässliche politische und regulatorische Rahmenbedingungen ein. Als Bindeglied zwischen Markt, Politik und Behörden fördern wir den Dialog sowie eine lösungsorientierte Zusammenarbeit. Unser Ziel? Ein koordinierter und zukunftsfähiger H2-Hochlauf, der Interessen vereint, Synergien nutzt und den Weg in eine nachhaltige Energiezukunft ebnet.
Quellen: